Abseits des Mythos: die Fakten zur Mistel

Was ist die Mistel?

Misteln (lat. Viscum) zählen zu den Sandelholzgewächsen (lat. Santalaceae). Sandelholz ist besonders für seine Verwendung in Räucherstäbchen und in stark duftenden Ölen für Kosmetika bekannt. Das größte Verbreitungsgebiet der Mistel liegt in Afrika, vor allem auf Madagaskar. In Deutschland ist hauptsächlich die Weißbeerige Mistel mit den drei Unterarten Kiefern-, Tannen- und Laubholz-Mistel bekannt. Sie haben ihre jeweiligen Namen durch den Ort erhalten, an dem sie typischerweise wachsen. Denn Misteln haben biologisch mehrere Besonderheiten: Sie sind immergrün und sie wachsen auf Bäumen oder Sträuchern. Das bedeutet, dass sie einen Wirt benötigen, um entstehen zu können – sie sind sogenannte Halbschmarotzer. Aus ihrem Wirt, dem Baum oder dem Strauch, saugen sie sowohl Wasser als auch Nährsalze heraus, mit deren Hilfe sie selbst Photosynthese betreiben.

Misteln wachsen langsam. Sie werden dabei je nach Art bis zu 2,5 m lang und bis zu 70 Jahre alt.
Die Früchte der in Mitteleuropa verbreiteten Laubholz-Mistel (Viscum album) sind weiß, extrem klebrig und eine Delikatesse für fast 30 Vogelarten. Daher stammt auch der Name Mistel: Die Verbreitung findet über den Mist der Vögel statt. Einmal vom Vogel verdaut und ausgeschieden, keimt der Mistelsamen und entwickelt sofort sein Saugorgan. Mit dem bohrt sich die Mistel durch die Rinde eines geeigneten Wirtes, entzieht diesem Wasser und Nährsalze und nimmt bestens vorbereitet das eigene Wachstum auf. Interessanter Fakt: Die Laubholz-Mistel ist selber nicht „mistelfest“. Das heißt, dass die Mistelsamen auch auf bereits vorhandenen Mistelsprossen keimen und wachsen können.

Wo wächst die Mistel in Deutschland?

Weit verbreitet sind Misteln vornehmlich in Mittel- und Süddeutschland, aber sie orientieren sich auch zunehmend nach Norden und sogar in Höhenlagen von über 1000 m. Letzteres ist vermutlich eine Folge des Klimawandels – die Mistel ist, anders als vor Jahrzehnten, inzwischen in der Lage, in diesen Höhen zu überleben.

Misteln als „Baumtöter“?

Es ist wichtig zu wissen, dass Halbschmarotzer ihre Wirte nicht zwingend umbringen, wie oft vermutet wird. Sie sind in Wäldern auch nicht bestandsbedrohend. Tatsächlich verschärft sich aber aktuell die Situation sehr zu Ungunsten der Wirtsbäume –  die klimatischen Veränderungen sorgen für ein problematisches Maß an Trockenstress. Durch die langen regenfreien Perioden haben die Bäume Schwierigkeiten, ihre eigene Wasserversorgung sicherzustellen. Stiehlt ihnen dann noch jemand Teile des mühsam geförderten eigenen Wassers, kann das sogar zum Absterben der Bäume führen. Die gesamte klimatische Situation kann durch „Mithilfe“ der Misteln also eine permanente Komplikation innerhalb des Ökosystems verursachen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob und wie sehr sich diese Problematik verstärken wird.

Übrigens: Immer wieder wird behauptet, dass Misteln unter Schutz stünden und nicht geerntet werden dürften – das ist falsch! Tatsächlich wäre der eine oder andere Baum sicher dankbar über etwas „Erleichterung“ bei seinen Halbschmarotzern, und wir freuen uns gerade zur Weihnachtszeit über eine dekorativ verschönerte Haustür.

Mistel-Mysterium: über Magie und Halbwahrheiten

Die Mistel als Heilpflanze und Wundermittel

Bereits in den frühen Jahren der Menschheitsgeschichte war die Mistel bekannt. Schon die alten Griechen, wie zum Beispiel der bekannte Arzt Hippokrates, nutzten sie als Heilpflanze.

In anderen Teilen der Welt sorgte sie aber vor allem für Verwirrung: Die Menschen konnten sich lange Zeit nicht erklären, wie und warum diese Pflanzenkugel auf den anderen Bäumen wächst. Dazu das immergrüne Erscheinungsbild. Ganz klar: Es musste sich um eine göttliche Pflanze handeln. Und wenn sie die Götter geschickt hatten, musste sie auch besondere Kräfte haben, so das Weltbild der frühen Völker damals. Die Mistel wurde in der Folge als heiliges Heilmittel gegen alle möglichen Leiden und Krankheiten angewandt. Die Germanen und Kelten, bekannt für ihre nordischen Göttersagen, verehrten die Mistel als magisch, sie würde gegen alles helfen und sogar stark und unbesiegbar machen. Selbst später im Mittelalter glaubten die Menschen an starke Heilfähigkeiten von Misteln, wie die Genesung erfrorener Gliedmaßen oder sogar die Heilung von Epilepsiekranken, was aus unserer modernen Sicht natürlich verrückt anmutet.

Viele weitere Zauberkräfte wurden der Mistel zugeschrieben. Schon früh entstand der Brauch, sie an Türen und Wände als Schutz gegen böse Geister oder gar Feuer anzubringen. Auch unter Dächern fanden Mistelzweige als Schutz gegen Blitze ihren Platz: Diese Tradition ist als Donnerbesen bekannt.

Abseits dieser mystischen Aufladung fungiert die Mistel aber tatsächlich als Naturmedizin. Sie bekam im Jahr 2003 sogar den Titel „Heilpflanze des Jahres“. Den in dem Kraut enthaltenen Pflanzenstoffen namens Lektinen wird eine Anregung des Immunsystems zugeschrieben und Naturheilpraktiker setzen Mistelpräparate des Öfteren zur Behandlung von Arthrose ein. Sogar als vornehmlich unterstützende, schmerzlindernde Begleitung zu Krebstherapien kommt das Kraut hin und wieder zum Einsatz. Die medizinische Wirksamkeit ist jedoch umstritten und wissenschaftlich bisher nicht ausreichend nachgewiesen.

Küssen unterm Mistelzweig

Die meisten der alten Glaubenssätze und Vermutungen über die Mistel sind im Laufe der Jahrhunderte verschwunden und haben den wissenschaftlichen Sichtweisen Platz gemacht. Ein paar wenige Aberglauben halten sich jedoch erfolgreich als beliebte Tradition in vielen Ländern. Dazu zählt auch der mit bekannteste – der Kuss unter dem Mistelzweig, der auf eine Sage der germanischen Schutzgöttin Frigga zurückzuführen ist. Die Überlieferung besagt, dass Paaren, die sich unter dem Zweig küssen, viel Glück beschert sein wird. Und unverheiratete junge Frauen, die sich unter der Mistel aufhalten, dürften laut Tradition einen Kuss nicht ablehnen. Blieben sie jedoch unter der Mistel ungeküsst, würden sie im kommenden Jahr nicht heiraten. Wie man sieht, entstammt dieser Brauch einer sehr alten Epoche mit einem ganz anderen Menschen- und insbesondere Frauenbild. Dieses entspricht schon lange nicht mehr dem heutigen Zeitgeist. Aber das ist ja bei vielen Traditionen so – an sich überholt, doch gerade dadurch für viele Menschen charmant. Daher wird der Brauch, gerade am Fest der Liebe, nach wie vor gerne gepflegt – vor allem im angloamerikanischen Raum, z. B. in den USA, wo sich küssende Liebespärchen unter Mistelzweigen so sehr zum Weihnachtsfest gehören wie bei uns der Christstollen zum Weihnachtskaffee.

So bleibt es für viele beim Treffen unter dem Mistelzweig dabei: Give me a kiss!

Die Mistel als Weihnachtsdeko

Als Türschmuck ist die Mistelpflanze zu Weihnachten besonders bekannt. Das Relikt mit dem ursprünglichen Brauch, böse Geister vom Haus fernzuhalten, hat sich über die Jahrhunderte zum harmlosen Traditionsschmuck gewandelt. Aber auch an anderen Plätzen ist die Mistel eine beliebte Dekoration, wie zum Beispiel auf Kommoden, Tischen oder an den heimischen Wänden. Gerne kombiniert man die Zweige mit anderen Deko-Gegenständen wie Weihnachtsfiguren oder Kerzen. Das alles hat dafür gesorgt, dass Mistelzweige in Deutschland und anderen Teilen Europas untrennbar mit dem Fest der Liebe verbunden sind. Sie ist ein hübsches, ergänzendes Accessoire, das Freude bringt – auch ganz ohne Wunderkräfte.

Mistel schon gepflückt?

Dann hängen Sie sie einfach an dem Platz Ihrer Wahl auf oder dekorieren Sie mit ihr nach Herzenslust. Die Mistel hat das Potenzial, nicht nur Ihr Weihnachtsfest schöner zu machen.